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21.11. Tom Ludwig

Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen …

Liebe WhatsApp-Gemeinde, gestern war Totensonntag. Im Gottesdienst wurden die Verstorbenen des vergangenen Kirchenjahres vorgelesen und für sie eine Kerze angezündet, und auf dem Friedhof gab es eine Andacht. An so einem Tag kommen mehr Menschen in die Kirche als sonst. Warum? Weil sie Trost suchen? Ahnen diese Menschen vielleicht, dass es in der Kirche doch einen Trost geben kann, den man sonst nirgendwo findet? Mir ist gestern aufgefallen, dass die Altersspanne der Verstorbenen sehr groß war. Die Jüngste war 34 und die Älteste 98 und dazwischen war fast alles vertreten: 50er, 60er, 70er und 80er. Wie zu jeder Beerdigung wurde auch gestern der bekannte Vers aus Psalm 90 gelesen:

„Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden (Ps 90,2).“

Solche Ereignisse machen mich immer nachdenklich. Ich denke an die Menschen, die mir wichtig waren und die schon von uns gegangen sind. Ich denke darüber nach, was es für mich bedeuten würde, wenn die Menschen sterben würden, die ich liebe. Und ich denke auch daran, dass ich einmal sterben werde und dass ich nicht weiß, wann das sein wird. Es kann erst in 40 Jahren sein, genauso aber heute oder morgen. Ich weiß es nicht und es ist auch gut so. Wie würde mein Leben wohl aussehen, wenn ich es wüsste?

Dieser Vers aus Psalm 90 regt mich zum Nachdenken an. Es nützt uns nichts, wenn wir den Gedanken an den Tod verdrängen. Der Tod gehört zu unserem Leben dazu und deshalb sollten wir auch immer wieder solche Ereignisse wie den Totensonntag oder eine Beerdigung nutzen, um darüber nachzudenken. Mose schreibt in diesem Psalm weiter: „Unser Leben dauert nur 70 Jahre, 80, wenn es voll Kraft war. Und das meiste davon war nur Mühe und Last. Schnell geht es vorbei, und schon fliegt es davon. (Ps 90,10)“

Solche Gedanken können sehr deprimierend sein. Was ist unser Leben schon? Wie schnell ist es vorbei? Und was haben wir in unserem Leben geleistet? Oft wird zu Beerdigungen gesagt: „Wir werden ihn / sie nie vergessen“. Oder wie oft lesen wir auf Grabsteinen: „Unvergessen“? Doch wenn wir ehrlich sind, stimmt das wohl eher nicht. Fast jeder Mensch ist nach einer Weile vergessen, dann wir der Grabstein weggemacht und niemand denkt mehr daran. Vielleicht taucht bei einer Ahnenforschung oder in einem Stammbaum der Name auf, aber niemand weiß mehr, wer dieser Mensch war. Ist das nicht traurig? Wir Menschen halten uns oft für so wichtig und sind am Ende doch so schnell vergessen.

Gott will uns mit dem Psalm 90 aufrütteln, über unser Leben und über unseren Tod nachzudenken und wir sollen dadurch klug werden. Das heißt auf der einen Seite: Wir sollen uns nicht zu wichtig nehmen, denn im großen Weltgeschehen ist der einzelne Mensch nur wie Staub. Aber auf der anderen Seite will uns Gott genauso sagen: Jeder von uns ist etwas ganz besonderes, einzigartig und von Gott unendlich geliebt. Gott hebt uns aus dem Staub der Unbedeutsamkeit und mach aus uns bedeutsame Kinder Gottes, die zumindest in seinen Augen wirklich unvergessen sind. Und das tut er nicht, weil wir es verdienst haben, sondern aus Liebe und aus Gnade. Und so betet Mose in diesem Psalm weiter:

„Mach uns schon am Morgen mit deiner Gnade satt, dann sind unsere Tage von Freude und Jubel erfüllt. (Ps 90,14)“

Manches Ende ist ein Anfang (Text: Jürgen Werth, Melodie: Johannes Nitsch)