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20.02. Tom Ludwig

Die Wahrheit liegt meistens in der Mitte

Liebe WhatsApp-Gemeinde, der indische Prinz Siddhartha Gautama, später unter dem Namen Buddha bekannt, hat auf seiner Suche nach Erlösung eine kluge Entdeckung gemacht. Er saß lange Zeit allein im Wald und meditierte. Da hörte er eines Tages, wie jemand sein Saiteninstrument stimmte. Wenn die Seite zu locker war, kam kein schöner Ton heraus. War sie zu straff, klang es auch nicht schön. Erst bei der richtigen Stimmung, in der Mitte, konnte man mit dem Instrument schöne Musik machen. Das brachte ihn zu der Erkenntnis, dass die Wahrheit in der Mitte liegt und nicht bei den Extremen, weder in der einen noch in der anderen Richtung. Deshalb verließ er diesen extremen Weg der asketischen Einsamkeit und suchte einen neuen.

Nun kann man als Christ ja sehr skeptisch anderen Religionen gegenüber eingestellt sein. Manche gehen sogar so weit, dass sie alle anderen Religionen verteufeln, ganz nach dem Motto Luthers: „Der Mensch ist ein Reittier. Er wird entweder von Gott oder vom Teufel geritten.“ Aber ich sehe das anders. Es gibt viel mehr als nur Gut und Böse, Schwarz und Weiß, Teufel oder Gott. Wir müssen differenzierter denken. Und so sollten wir auch mit anderen Religionen umgehen. Natürlich gibt es in jeder Religion auch Gutes. Wir können voneinander lernen. Und diese Erkenntnis Buddhas finde ich sehr weise. Und sie passt auch sehr gut zur heutigen Losung und Lehrtext:

Der Mensch, vom Weibe geboren, lebt kurze Zeit und ist voll Unruhe, geht auf wie eine Blume und welkt, flieht wie ein Schatten und bleibt nicht. (Hiob 14,1-2)

Wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir. (Hebräer 13,14)

Wir leben auch im Glauben zwischen zwei Extremen: Zum einen wissen wir, dass das Leben hier auf der Erde vergänglich ist und im Vergleich zur Weltgeschichte (und erst gar zur Ewigkeit) ist unser Leben hier nur wie Staub, nichts, wie eine Sekunde. Und deshalb wird den Christen auch öfter vorgeworfen, dass sie nur auf das zukünftige Jenseits, Reich Gottes, Himmelreich oder wie auch immer wir es nennen wollen, hoffen. Und so könnte man solche Bibelstellen auch verstehen.

Aber so ist das nicht gemeint. Die Hoffnung, die wir haben, dass der Tod nicht das Ende ist, sondern dass uns noch etwas viel Besseres erwartet, ist kein Vertrösten, sondern ein echter Trost. Und es ist gleichzeitig eine Motivation, aus diesem Leben hier und jetzt das Beste zu machen und dieser Welt gut zu tun und uns dafür einzusetzen, dass auch andere Menschen ein besseres Leben haben. Der christliche Glaube ist Diesseits und Jenseits gleichzeitig. Wir sollen hier so leben, als wenn es kein Jenseits gäbe und uns gleichzeitig aufs Jenseits freuen, als ob das Diesseits keine Bedeutung hätte. Dazwischen leben wir. Gott gibt uns die Gebote, damit das Leben hier gelingt und er gibt uns die Hoffnung auf das Ewige Leben, damit wir nicht verzweifeln müssen, weil das Leben eben nicht immer gelingt und weil wir vieles, was passiert, nicht in der Hand haben.

Deshalb lasst uns in der diesseitigen Stadt wohnen und leben und mit dafür sorgen, dass alle, die darin wohnen, ein gutes Leben führen können. Und lasst uns aber auch die zukünftige Stadt suchen und andere darauf hinweisen, dass es noch mehr gibt, damit auch sie diese Hoffnung und diesen Trost haben können.

Zwischen Himmel und Erde (Albert Frey)