Zum Inhalt springen

03.10. Tom Ludwig

Wer ist eigentlich verantwortlich?

Liebe WhatsApp-Gemeinde, vor vielen Jahren, als ich noch in der Oberlausitz gewohnt habe, ist mir folgendes passiert: Ich war mit meinem Auto in Zittau unterwegs und musste an einer Kreuzung anhalten. Da sah ich rechts von mir am Straßenrand im Gebüsch einen Obdachlosen liegen. Ich hatte den Mann schon öfter gesehen, wie er durch die Stadt zog, aber diesmal lag er regungslos da. Ich dachte für mich: Ob er betrunken ist oder ob er hier schläft? Vielleicht ist er auch verletzt oder sogar tot? Ich konnte dort nicht einfach so anhalten und so fuhr ich weiter. Doch ich fand irgendwie keine Ruhe und dachte noch lange darüber nach. Hätte ich nicht anhalten sollen und fragen, ob ich helfen kann?

Und dann ging mir das Gleichnis vom Barmherzigen Samariter durch den Kopf, das Jesus in Lukas 10,30-35 erzählt:

Ein Mann ging von Jerusalem nach Jericho. Unterwegs wurde er von Räubern überfallen. Sie schlugen ihn zusammen, raubten ihn aus und ließen ihn halb tot liegen. Dann machten sie sich davon. Zufällig kam bald darauf ein Priester vorbei. Er sah den Mann liegen und ging schnell auf der anderen Straßenseite weiter. Genauso verhielt sich ein Tempeldiener. Er sah zwar den verletzten Mann, aber er blieb nicht stehen, sondern machte einen großen Bogen um ihn. Dann kam einer der verachteten Samariter vorbei. Als er den Verletzten sah, hatte er Mitleid mit ihm. Er ging zu ihm hin, behandelte seine Wunden mit Öl und Wein und verband sie. Dann hob er ihn auf sein Reittier und brachte ihn in den nächsten Gasthof, wo er den Kranken besser pflegen und versorgen konnte.

Wie oft hatte ich dieses Gleichnis schon gelesen bzw. gehört und wie oft habe ich mich über den Priester und den Leviten geärgert? Doch jetzt hatte ich den gleichen Fehler gemacht wie sie. Ich bin an der Not eines Menschen vorbeigegangen. Natürlich hatte ich meine Gründe (so wie die beiden im Gleichnis sicher auch). Ich konnte dort nicht anhalten. Ich hatte wenig Zeit. Dieser Mann lag ja öfter an der Straße. Vielleicht war er auch gefährlich. Usw.

Kennt ihr diese Ausreden auch? Man müsste helfen, aber man tut es nicht und dann versucht man sich noch zu rechtfertigen. Seit diesem Erlebnis achte ich viel mehr auf solche Menschen und irgendwie scheinen sie das zu merken. Immer wenn ich in einer Großstadt bin, sprechen mich Obdachlose an, ob ich etwas für sie hätte. Und meisten gebe ich ihnen auch etwas. Ich habe auch schon Obdachlose aufgenommen und sie im Pfarrhaus (damals in Glauchau) übernachten lassen oder einem armen Vater aus Polen eine Tankfüllung bezahlt. Ich möchte lieber Samariter sein und helfen, wo ich helfen kann, auch wenn ich weiß, dass mir das nicht immer gelingt.

Es gibt so viele Menschen, die sich beklagen, in was für einer schlimmen Zeit wir leben. Armut, Gewalt, Krieg, Streit, Egoismus, Ungerechtigkeit, Neid, Mobbing usw. Wer ist eigentlich für diese Missstände verantwortlich? Die Anderen? Nein, ich glaube, wir sind verantwortlich. Die Welt ist nicht schlecht, sondern wir haben sie zu so einem schlechten Ort gemacht. Wir sind die Welt. Wenn wir Menschen egoistisch sind, dann ist die Welt egoistisch. Wenn wir Böses tun, dann ist die Welt böse. Doch Gott sei Dank ist es umgekehrt genauso. Wenn wir Gutes tun, dann ist die Welt auch gut. Deshalb sollten wir uns dieses Gleichnis vom barmherzigen Samariter immer wieder vor Augen führen und uns von Jesus aufrütteln lassen:

Geh und folge seinem Beispiel! (Lukas 10,37b)

Zwischen Jericho und Jerusalem (T+M: M. G. Schneider)