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30.05. Tom Ludwig

Gottesdienst trotz Kälte, Schnee, Bären und Wölfen

Vor einiger Zeit kam ich zufällig an einer Kirche vorbei, in der gerade eine Kirchenführung stattfand. Die Frau erzählte, dass die Menschen, bevor diese Kirche gebaut wurde, in die Nachbarstadt zum Gottesdienst gegangen sind. Dafür mussten sie 10 km durch den Wald laufen. Und obwohl es dort Wölfe und Bären gab und im Winter oft eisige Kälte war und meterhoch Schnee lag, gingen viele Menschen jeden Sonntag zum Gottesdienst. Und ich frag mich ernsthaft: Warum? In vielen Entwicklungsländern oder in Ländern, wo Christen verfolgt werden, nehmen auch heute noch viele Menschen große Anstrengungen und Gefahren auf sich, um in den Gottesdienst zu gehen. Warum?

Wenn ich das mit Deutschland in der heutigen Zeit vergleiche, dann frage ich mich: Was ist passiert? Wenn ich heutzutage zum Gottesdienst einlade, dann kommen Dinge wie: Ist mir zu zeitig oder zu spät oder zu kalt oder zu warm oder zu regnerisch oder zu sonnig oder zu altmodisch oder zu modern oder der Pfarrer gefällt mir nicht oder ich mag den Nachbarn nicht oder die Sitze sind zu hart oder nicht mein Musikgeschmack oder die Christen sind doch auch nicht besser usw. usw.

Die Mitgliederzahlen der Kirchen gehen rapide zurück. 1945 gehörten in Deutschland 90 % der Bevölkerung zur Kirche. Erst vor kurzen ging die Schlagzeile durch die Medien, dass jetzt das erste Mal in der Geschichte Deutschlands weniger als 50 % der Bevölkerung Mitglied in einer Kirche sind. Und der Gottesdienstbesuch liegt in der Ev. Luth. Kirche bei unter 5 % der Kirchenmitglieder.

Warum nahmen die Menschen früher bzw. nehmen die Menschen heute in anderen Ländern so viel auf sich, um in den Gottesdienst zu gehen? Weil sie ungebildet sind? Aus Angst vor Gott oder der Kirche oder der Hölle? Oder nur aus Gewohnheit oder weil es keine anderen Angebote gibt? Oder sind diese Menschen gläubiger als wir Deutschen? Brauchen sie Gott mehr, weil es ihnen schlecht geht? Oder macht sich der Glaube bei uns nur anders bemerkbar? Glauben die Menschen hier mehr für sich und weniger durch bzw. in der Kirche? Liegt es vielleicht nicht am fehlenden Glauben, sondern an der Enttäuschung von Kirche oder Pfarrern oder anderen Christen?

Jesus sagt: „Das ist mein Gebot, dass ihr euch untereinander liebt, wie ich euch liebe.“ (Johannes 15,12)

Ist das der Grund, warum wir Christen bzw. die Kirche nicht besonders große Anerkennung genießen, weil wir eben nicht danach leben? Viele sagen: Ihr Christen seid doch auch nicht besser. Früher habt ihr im Namen Gottes Kriege geführt und Hexen verbrannt und eure Macht an vielen Stellen missbraucht und heute lebt ihr auch oft nicht friedlicher und liebevoller miteinander.

Das alles ist menschlich, aber nicht göttlich! Wenn wir Christen so leben würden, wie Jesus es vorgelebt hat und wie er es von uns will, dann müssten wir wahrscheinlich unsere Kirchen vergrößern. Und genau deshalb, weil wir Christen schon oft Schuld auf uns geladen haben, bitte ich stellvertretend alle um Vergebung, die an der Kirche und an Christen Anstoß genommen haben und sich deshalb nicht mehr zur Kirche halten! Ja, wir Christen sind auch Menschen, die Fehler machen und versagen. Aber wir haben einen großen Vorteil: Wir dürfen diese Schuld Gott bringen und immer wieder von vorn anfangen und es besser machen. Gott helfe uns dabei, dass wir uns untereinander so lieben, wie Jesus uns liebt.

Herz und Herz vereint zusammen