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03.05. Tom Ludwig

Sollen wir andere auf ihre Fehler hinweisen?

Liebe Leser, wie handhabt ihr das, wenn ihr bemerkt, dass ein anderer etwas falsch macht? Ist euch das egal? Kümmert ihr euch lieber um eure eigenen Belange? Oder regt ihr euch heimlich darüber auf? Oder beschwert ihr euch bei anderen über ihn, also hinter seinem Rücken? Oder sprecht ihr ihn darauf an und weist ihn auf seine Fehler hin?

Sicher werden jetzt viele sagen: Es kommt drauf an: 1. Wer der andere ist und 2. Was es für ein Fehler ist. Was habe ich für eine Beziehung zu ihm, eine gute oder eine gespannte oder gar keine, ist es ein Fremder? Und was hat er denn gemacht? Etwas Falsches gesagt oder eine rote Ampel überfahren oder eine Bank überfallen? Das alles macht viel aus. Aber wie ist es denn mit Christen in einer Gemeinde? Sollten wir uns gegenseitig auf unsere Fehler und Sünden hinweisen? Jesus sagt dazu folgendes (Matthäus 18,15-17):

Wenn aber dein Bruder an dir sündigt, so geh hin und weise ihn zurecht unter vier Augen. Hört er auf dich, so hast du deinen Bruder gewonnen. Hört er aber nicht, so nimm noch einen oder zwei mit dir, damit jede Sache auf der Aussage von zwei oder drei Zeugen beruht. Hört er aber auf diese nicht, so sage es der Gemeinde. Hört er aber auch auf die Gemeinde nicht, so sei er für dich wie ein Heide und ein Zöllner.

Ich habe dazu schon viele Auslegungen gehört und gelesen und viele meinen, man könnte damit rechtfertigen, dass wir unsere Glaubensgeschwister auf ihre Sünden hinweisen sollen und dass man sie sogar aus der Gemeinde ausschließen soll, wenn sie ihre Schuld nicht einsehen. Ich habe lange über dieses Wort von Jesus nachgedacht und bin auf folgende Aussagen gekommen:

1. Es geht darum, wenn ein Bruder (bzw. eine Schwester) im Glauben an DIR sündigt.

Es geht also nicht darum, prinzipiell andere auf ihre Sünden hinzuweisen: Du betrügst bei der Steuererklärung. Du guckst heimlich Pornos. Du fluchst zu viel. Du gehst zu selten in den Gottesdienst. Du behandelst deine Eltern nicht gut usw. Darum geht es hier nicht. Es geht darum, dass jemand an dir schuldig wird. Also wenn jemand Lügen über dich verbreitet oder wenn sich jemand an deinen Ehepartner ranmacht usw., dann sollst du zu ihm hingehen und ihm sagen, dass das nicht in Ordnung ist und dass er damit aufhören soll. Wenn er oder sie es einsieht und damit aufhört, ist es geklärt.

2. Es geht um eine aktuelle Sünde.

Es geht also nicht darum, deinen Glaubensgeschwistern irgendwelche Sünden von sonst wann vorzuhalten, nein. Jesus sagt: „Wenn jemand an dir SÜNDIGT.“ Und das macht ja auch Sinn, dann ist es ja aktuell und du leidest gerade darunter. Dann wäre es falsch, nichts zu sagen oder nur hinter seinem Rücken zu reden. Wie soll er denn dann damit aufhören? Vielleicht merkt er es selbst gar nicht, wie er dir damit schadet. Das Ziel ist also, dass er es einsieht und damit aufhört und ihr es bereinigt. Wenn er das nicht tut, dann darfst du dir Hilfe suchen und andere darum bitten, mit ihm zu reden.

3. Wenn er (bzw. sie) es nicht einsieht, dann schraube deine Erwartungen herunter.

Es geht nicht darum, diese Menschen dann aus der Gemeinde auszuschließen, nur weil Jesus sagt, dass wir sie wie Heiden und Zöllner behandeln sollen. Was meint Jesus denn damit? Sollen wir sie meiden? Sie hassen? Sie ausschließen? Nein! Wie hat Jesus denn Heiden und Zöllen behandelt? Er hat sie geachtet, ja sogar geliebt und das sollen wir auch: Sie trotzdem achten und ihnen mit Respekt begegnen, obwohl sie an uns sündigen und es nicht mal einsehen, dass sie etwas falsch machen. Das ist nicht leicht, aber wie sagt es Jesus, als er über die Feindesliebe spricht: „Was tut ihr Besonderes, wenn ihr nur die liebt, die euch lieben? Seid vollkommen, wie euer Vater im Himmel vollkommen ist.“ (Mt 5,48) Und Jesus lebt es uns vor. Er bittet für die Menschen, die ihn ans Kreuz genagelt haben: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.“ (Lk 23,34) Wenn also Jesus sagt, dass wir sie wie Heiden und Zöllner behandeln sollen, dann meint er damit: Schraubt eure Ansprüche herunter, denn sonst seid ihr nur zu sehr enttäuscht von euren Glaubensgeschwistern, denn sie sollten sich anders verhalten. Aber bei Heiden und Zöllnern könnt ihr nichts anderes erwarten. Sie leben ja nicht nach den Maßstäben Gottes. Und je weniger Ansprüche ich an jemanden habe, desto weniger kann ich enttäuscht werden.

Abschließend würde ich zu meiner Anfangsfrage sagen: Natürlich ist es manchmal auch angebracht, andere auf ihre Fehler hinzuweisen, wenn ich eine gute Beziehung zu dieser Person habe oder wenn es wirklich anderen schadet und ich sie schützen will. Aber ich denke, in den meisten Fällen sollten wir uns um unsere eigenen Fehler kümmern, denn damit haben wir schon genug zu tun. Jesus sagt es so:

„Warum siehst du jeden kleinen Splitter im Auge deines Mitmenschen, aber den Balken in deinem eigenen Auge bemerkst du nicht? Wie kannst du zu ihm sagen: ›Komm her! Ich will dir den Splitter aus dem Auge ziehen!‹, und dabei hast du selbst einen Balken im Auge! Du Heuchler! Entferne zuerst den Balken aus deinem Auge, dann kannst du klar sehen, um auch den Splitter aus dem Auge deines Mitmenschen zu ziehen.“ (Mt 7,3-5)

Nehmt einander an (T+M: Arno Backhaus)